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Montag, 8. Oktober 2012

Die perfekte Bar und der perfekte Barkeeper


"Der Bartender hat ferner besonders darauf zu achten, dass er stets elegant, rein und
sauber gekleidet  ist, da das Auessere des Bartenders sehr viel Einfluss auf den Gast
ausübt, indem Eleganz und Reinlichkeit gepaart, ungemein anzieht. Auch möge der 
Bartender nicht ausser acht lassen, dass eine schöne und stramme Haltung zur
Vollendung des Ganzen gehört." (Harry Johnson's Handbuch für Bartender, S. 21)

Die Bar im Splendid verdankt ihre Existenz nicht intensiven Feldstudien meinerseits, sondern einem Flohmarktfund, den ich vor vielen Jahren tätigte. Das kleine Büchlein trägt den Titel Harry Johnson's Handbuch für Bartender und Führer für Hotels und Restaurants. Wie ich später herausgefunden habe, handelt es sich um eine Art Bibel des Handwerks. Die englischsprachige Erstausgabe erschien 1882, mehrere überarbeitete Auflagen folgten über die Jahrzehnte. Das exakte Erscheinungsjahr meiner deutschen Ausgabe konnte ich nicht eruieren, es muss aber nach 1900 gewesen sein.*

Das Besondere an Johnsons Handbuch ist, dass hier zum ersten Mal das Handwerk des Bartenders in all seinen Aspekten dargestellt wird. Das wird bereits auf dem Titelblatt deutlich, das eine langatmige Auflistung des Inhalts präsentiert: "Praktische Regeln, Winke und Anweisungen über sämtliche Bedürfnisse, gründliche Belehrung über alle Einzelheiten des Geschäfts, vollkommene und korrekte Rezepte aller gemischten Getränke der Jetztzeit, die in Amerika, England, Deutschland, Frankreich, Italien, Russland, Spanien und anderen Ländern beliebt sind, sowie Listen sämtlicher Bar-Utensilien, Anweisungen zur richtigen Behandlung von Liqueuren, Weinen, Bier, Ale und Porter in Fässern und Flaschen." Johnson wird nicht nur als "professioneller Bartender", sondern auch als "praktischer Lehrer der Bartenderkunst" vorgestellt.

Das Buch hält das Versprechen des Titelblatts. Im ersten Teil werden Beruf und Berufsethos des Bartenders erläutert. Hier nur eine kurze Auswahl der Themen: Benehmen des Bartenders, wie man eine Stelle sucht, das Verhältnis zwischen Bartender und Besitzer, warum Bartender eine Gewerkschaft haben sollten, Vor- und Nachteile von Hypotheken, Buchhaltung, Einrichtung der Bar, wie man einen Anfänger anlehrt, Lagerung der Getränke, Handhabung des Eises, Garnieren gemischter Getränke, Reinhaltung der Toiletten, Trinkgeld, Umgang mit Gästen und vieles, vieles mehr. Im zweiten Teil folgen Inventarlisten  von hier stammt die (stark gekürzte) Getränke und Gläserliste aus dem Kapitel Eröffnung.

Die Rezepte für "Mixed Drinks" gibt es erst im letzten Drittel des Buches. Wer diese nachmixen will, sollte über eine ausgesprochen gut bestückte Hausbar und eine gesunde Konstitution verfügen. Der Morning Glory Fizz etwa besteht aus einem Eiweiss, dreiviertel Esslöffel Zucker, Zitronen- und Limettensaft, einem Spritzer Absinth, Eis und einem "Weinglas Scotch Whiskey" - das Ganze wird geschüttelt in ein "ziemlich grosses Glas" geseiht und mit Sodawasser aufgefüllt. Johnson meint zu diesem Rezept euphemistisch: "Ich empfehle dieses Getränk als einen vorzüglichen Morgentrunk, da es den Appetit reizt und die Nerven beruhigt." Mit anderen Worten, wir haben es hier mit einer Kater-Kur zu tun. (Für allfällige Selbstexperimente wird keine Haftung übernommen.)

Es steht ausser Frage, dass Henning seinen Johnson in- und auswendig kannte. Das Sazzerac-Rezept hat er aber nicht von Mister Johnson, doch das ist eine andere Geschichte.

*Nachdrucke der verschiedenen Ausgaben sind immer noch erhältlich.


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