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Sonntag, 11. Januar 2015

Heian Hofdamen – Murasaki Shikibu (ca. 973 - ca 1014 od. 1025), die begnadete Geschichtenerzählerin





Komatsuken: Murasaki Shikibu (1765)
via Boston Museum of Fine Arts (mfa)
Murasaki Shikibu war eine Zeitgenossin und Rivalin von Sei Shonagon. Ihr literarischer Ruhm geht vor allem auf die Geschichte vom Prinzen Genji zurück, die als einer der ersten Romane der Literaturgeschichte gilt (zur Bedeutung des Werkes für die Gattung gibt es eine lebhafte Debatte.)

Murasaki Shikibu stammte aus niederem Adel. Nach dem frühen Tod der Mutter übernahm der Vater ihre Erziehung. Er galt als Gelehrter und Meister der chinesischen Kalligraphie. Murasaki Shikbus Erziehung war ungewöhnlich: Adelige Eheleute lebten oft getrennt; die Kindererziehung oblag der Frau bzw. ihrer Familie. Zudem lehrte sie der Vater auch die chinesische Sprache.

Murasaki Shikibus Ehemann war erheblich älter und starb nach wenigen Jahren. Aus dieser Verbindung ging eine Tochter hervor, welche sich ebenfalls als Dichterin einen Namen machte. Nachdem Murasaki Shikibu Witwe geworden war, begann sie, schriftstellerisch tätig zu werden. Etwas später folgte der Ruf an den kaiserlichen Hof, wo sie als Hofdame der Kaiserin Shoshi tätig war. Murasaki Shikibus Berufung an den Hof erfolgte eventuell, um Kaiserin Shoshis Position zu stärken, da deren kürzlich verstorbene Rivalin, Kaiseri Teishi, Sei Shonagons Patronin gewesen war.*

Murasaki Shikibu brachte dem Leben bei Hofe eher zwiespältige Gefühle entgegen, den ausgefeilten Liebesritualen konnte sie nichts abgewinnen, sie war aber Teil der ständigen Intrigen und Machtspiele. Dies zeigte sich vor allem in ihrer (indirekten) Rivalität zu Sei Shonagon, deren Einfluss am Hofe immer noch spürbar war. Die beiden Damen waren sehr unterschiedliche Charaktere und Murasaki Shikibu lehnte Sei Shonagons extrovertierte Art ab. Ihr Tagebuch enthält abfällige Äusserungen über die literarische Leistung und angeblich mangelhaften Chinesisch-Kenntnisse Sei Shonagons. Sei Shonagon hatte nicht nur der ehemaligen Rivalin ihrer Herrin gedient, sondern mit ihrer berüchtigt scharfen Zunge auch Familienmitgliedern von Murasaki Shikibu bei Hofe geschadet, was die heftige Anitpathie mit erklären mag.

Murasaki Shikibu wurde wegen ihrer Bildung (sie brachte der Kaiserin Chinesisch bei) bewundert und heimlich geschmäht. Es ist umstritten, ob sie erst bei Hofe damit begann, die Geschichte vom Prinzen Genji zu verfassen oder ob die ersten Kapitel bereits früher entstanden waren. Der ganze Hof wartete  auf jeden Fall gespannt auf jedes neue Kapitel. Das Werk beschreibt das Leben des jüngsten Sohnes eines Tenno. Das Hauptaugenmerk liegt auf den umfangreichen romantischen Abenteuern des Protagonisten. Der literarische Ruhm des Buches geht vor allem auf die psychologische Meisterschaft zurück, mit der Murasaki Shikibu ihre Charaktere porträtiert.

Neben diesem Roman sind von Murasaki Shikibu 128 Gedichte sowie das erwähnte Tagebuch überliefert. Das Tagebuch stammt aus ihrer Zeit bei Hofe und ist wie Sei Shonagons Kopfkissenbuch eine wertvolle Quelle zur Heian-Zeit. Nach dem Tode des Kaiser 1011 verliess Murasaki Shikibu mit der Kaiserin den Hof. Je nach Überlieferung starb sie 1013 oder 1025.

Die deutsche Übersetzung der Geschichte vom Prinzen Genji erschien letzten Oktober in einer Neuauflage im Manesse Verlag. Auszüge, Kommentare von Adolf Muschg und viele Hintergrundinformationen zu Bedeutung und Rezeptionsgeschichte des Werkes finden sich hier.

* Es gab für einige Zeit zwei Kaiserinnen bei Hofe. Kaiser Ichjio war der 66. Tenno und unter seiner Herrschaft wurde die Praxis eingeführt, dass ein Kaiser zwei kaiserliche Gemahlinnen mit verschiedenen Titeln haben konnte (bisher hatte es eine Kaiserin und zahlreiche Nebenfrauen und Konkubinen gegeben). Natürlich spielen auch hier im Hintergrund machtpolitische Interessen mit, beide Kaiserinnen waren Töchter mächtiger Höflinge (die nebenbei auch noch Brüder waren). Teishi war die ältere der beiden Cousinen und Rivalinnen, sie hatte den Tenno 990 geheiratet. Nachdem Teishis Vater gestorben war, wurde ihr Onkel immer mächtiger. Es gelang ihm schliesslich mit einem juristischen Trick, seine Tochter Shoshi als zweite Kaiserin zu etablieren. So kam es zu der beschriebenen Situation, dass bei Hofe zwei Kaiserinnen mit jeweiligem Hofstaat weilten. Allerdings dauerte dieser Zustand nicht lange; Teishi verstarb kurz nach der Erhebung ihrer Cousine zur zweiten Kaiserin im Kindbett. (Zu Ichjio Nebenfrauen gehörten übrigens auch Schwestern der beiden Kaiserinnen, was die erwähnte Bedeutung von Töchtern als politisches Kapital weiter illustriert).

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